tortugaHerbert Josk gewährt uns einen Blick in seine Werkstatt und zeigt uns ausführlich wie er die Szenerie "Piraten von Tortuga" erstellt hat.




Vorgeschichte!

Zum erstenmal sah ich diese Figuren bei TOMKER in Antwerpen.
Das Geschäft mit Namen „Das Figürchen“ von TOMKER (der auch selbst Zinnfiguren entwarf 75mm und produzierte) muß man sich so vorstellen. An einer Straßenecke sah man ein kleines Zunftzeichen aus Metall an der Wand, bei einem eher unscheinbaren Wohnhaus mit zwei kleinen Fenstern die als Schaufenster dienten.Ging man hinein so mußte man erst einen kleinen Hund begrüßen und dann stand man in einem verwinkelten Geschäft von etwa 60 m2, an allen Wänden Vitrinen bis zum Rand vollgefüllt mit Figuren, Rohfiguren und bemalte Figuren: das reinste Mekka für einen Figurenliebhaber. Und wenn man eventuell die gewünschte Figur nicht sah, bekam man sie innerhalb kürzester Zeit.

Ach wo sind denn diese Zeiten. Ich wollte mal in einem kleinen Figurengeschäft in Wien eine Figur bestellen. Es war September. Kein Problem wurde gesagt. Ende Jänner werde ich sie haben. Ein Anruf in Antwerpen und nach drei Tagen war die Figur bei mir zu Hause Porto inbegriffen um fast ¼ billiger als in Wien.

Meistens waren auch Gleichgesinnte anwesend und selbstverständlich wurde dann bei einer Tasse Kaffe über Figuren gesprochen. Einmal waren da einige Franzosen, Engländer, Deutsche und Holländer und diskutierten über die Farbe eines Knopfes einer napoleonischen Uniform. Als ich das damals hörte, schwor ich mir: nie eine militärische Figur aus der Zeit von Napoleon. Heute aber weiß ich: sag niemals nie.

Der Leser möge meine nostalgischen Träumereien an dieses Fachgeschäft verzeihen …

Dort sah ich zum erstemal die Piraten von Tortuga.
Da war eine Spelunke zu sehen wo Piraten anscheinend ein wildes Fest feierten. Ich glaube mich zu erinnern, daß das ganze Set Piraten mehr als 50 Figuren umfaßt. Ich war (und nicht nur ich) von dieser Spelunke begeistert. Der Wirtshausraum war sehr groß und oben ging eine Galerie rundherum, wo man auch einzelne Zimmer sehen konnte. Das ganze war sehr diskret und unauffällig von kleinen Lichtquellen beleuchtet. Die Wände waren voll mit Bildern aus der damaligen Zeit und auf dem Bretterboden sah es so richtig nach einem zünftigen Gelage aus. Die Figuren waren so prächtig bemalt, daß man eigentlich nur mehr darauf wartete, daß sie sich zu bewegen beginnen und tanzen und singen, streiten und grölen …

Mir gefielen diese Figuren auf Anhieb, waren doch die Kleider so richtig aus dieser Zeit. Dazu kamen die Haltungen der einzelnen Personen und nicht zu vergessen die herrlichen Gesichtsausdrücke … und noch vieles mehr.
All diese Figuren sind in einem Stück gegossen und nur einige Waffen muß man extra ankleben, ab und zu muß auch ein Arm separat noch befestigt werden. Wenn ich bedenke, daß die heutigen Figuren aus etlichen Einzelteilen bestehen, dann muß ich schon sagen, daß die Gießkunst von damals schon mehr als perfekt war. (Gibt es aber auch heute noch).

Na ja, auch ein wenig Erotik ist dabei, aber war es in der Geschichte nicht immer so, daß die Sieger ihre Tribute forderten? Vielleicht sind gewisse erotische Anblicke nicht jedermanns Sache, dann bleibt es ihm frei meine Spelunke zu betrachten und diesen Bericht zu lesen.

Ich kaufte mir damals einige Figuren und stellte sie auf ein Schiffsdeck. Damit war die Sache für mich erledigt.

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Ich kümmerte mich wenig darum wer diese Figuren modelliert hatte, aber im Laufe der Jahre wurde ich immer wieder auf diese Figuren aufmerksam gemacht.

2006 hatte ich die Gelegenheit einige Figuren aus dieser Serie billig zu erstehen. Lange lagen sie in irgendeiner Schublade zwischen anderen, aktuellen Figuren, aber immer wieder betrachtete ich sie und langsam begann ein Plan zu wachsen.

Und dann, 14 Tage vor der Fertigstellung beim Clubtreffen  (das ist ja das schöne an einem Club) brachte Hr. Steurer ein neu herausgekommenes Buch über Zinnfiguren mit und kurz entschlossen kaufte ich dieses Buch.
Groß war da meine Verwunderung, als da die Piraten von Tortuga beschrieben waren.
Entworfen wurden sie Anfang der 70er-Jahre von Cliff Sanderson. Die Serie war so erfolgreich, daß sie sogar im PLAYBOY gezeigt wurde.

Ein klein wenig Geschichte: Tortuga:  Hort der Piraten 

1630 ließen sich die Bukanier auf Tortuga nieder. Auf der der Nordküste von Hispaniola vorgelagerten Insel fand sich nicht nur Tr5inkwasser, sondern auch fruchtbarer Boden. Doch vor allem bot sie gute Ankerplätze, Häfen, die sich leicht verteidigen ließen, und eine ideale Position zwischen Hispaniola und Kuba. Tortuga wurde zum „Zufluchtsort aller erdenklichen Spielarten des Bösen, zum Hort … der Piraten und Diebe“. Immer wieder versuchten spanische Soldaten dieses Seeräubernest auszuräuchern, doch die Bukanier ließen sich nicht vernichten.
1640 bezeichneten sie sich als Brüder der Küste. Um in diese demokratische strukturierte Bruderschaft aufgenommen zu werden, mußte man sich einem strengen Regelkodex unterwerfen.
Auszug aus: PIRATEN, FURCHT UND SCHRECKEN AUF DEN WELTMEEREN: Herausgegeben von David Cordingly.
ISBN 3-8025-2508-6

Gestaltung der Figuren!

Das Problem war, daß alle Figuren mit einer ziemlich dicken Grundplatte gegossen waren. Und diese Grundplatte wollte ich entfernen, damit die Füße auf normalem Boden stehen.
Dazu kam noch, daß bei einigen Figuren der Guß nicht besonders gut war, was aber sicherlich kein Grund ist um sie nicht auch zu gestallten.

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Bei Nr.: 1 ging der Guß total daneben. Außerdem fehlen einige Teile, wurden aber aus meiner Krabbelkiste ersetzt.
Bei Nr.: 2 ging der Guß ebenso daneben und im Gesicht waren fast keine Details zu erkennen. Also muß ich halt das Gesicht besser mit Farbe gestalten.
Bei Nr.: ist noch der Sockel zu sehen. Die linke Figur ist die einzige wo ich den Arm ankleben mußte. Aber auch bei dieser Figur war der Guß ziemlich mies. Die Beine der linken Figur sind so flach wie bei Flachfiguren (aber man muß diese Gruppe ja nicht unbedingt in den Vordergrund stellen.
Bei Nr.: 4 und auch den restlichen Figuren ist der Guß ausgezeichnet.

Ich machte mich mit einer großen Nagelschere, einem kleinen Seitenschneider, Laubsäge, Feile, Miniseitenschneider und Stanleymesser an die Arbeit. Einen ganzen Tag und schmerzende Fingerspitzen, abgebrochene Messerklingen und einigen Flüchen und Stoßgebete dauerte diese Arbeit. Einem einzigen Schuh (siehe Pfeil im linken Foto) schnippelte ich die Schuhspitze ab.

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Der Bohrer kam dann zum Einsatz. Jede Figur wurde an den Schuhen aufgebohrt und mit einer Büroklammer ein Stift hineingeklebt. Ohne Stifte würden die Figuren zu wenig Halt haben, da sie ziemlich schwer sind (siehe roter Pfeil beim rechten Fuß).

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Jetzt nur noch alle auf Leisten kleben, grundieren und die Bemalung konnte beginnen. Bei der Bemalung der Kleider achtete ich darauf, daß keine Farbe zu sehr in den Vordergrund kommt. Da ich einige sehr gute Bücher über Seeräuber habe, waren genug Vorlagen in Farbe und auch in Stichen zu sehen  bedenkt man, daß die Bekleidung aus Beutezügen bestanden, kann man sich die Farbenpracht des Adels aus dem 18. Jahrhundert sicher vorstellen.

Die Grundierung erfolgte mit Pinsel und HUMBROL Nr.: 1
Für die Gesichter und blanken Körperteile verwendete ich Ölfarben, für die Kleider größtenteils Acrylfarben. Schatten und Aufhellungen dann wieder mit Ölfarbe.

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Die Spelunke

Natürlich wäre es vielleicht schöner gewesen, all diese Seeräuber auf einem Schiffsdeck zu plazieren, aber dazu fehlt mir zu Hause der Platz zum aufstellen. Ich dachte auch an eine Hafenansicht, aber auch die wäre viel zu groß ausgefallen. Also blieb nur mehr eine Art von Wirtshaus über. Bei der großen Anzahl von Figuren (total 41 Figuren, 19 Einzel- und 11 Doppelfiguren) ist es sicher ein wenig problematisch die Größe des die Raumes auszuwählen. Ich entschloß mich einen Raum mit einer Galerie zu gestalten, um auch dort Figuren plazieren zu können.
Einige Schachteln mußten dran glauben bis ich die ungefähre Form hatte.

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Ich habe noch einiges Holz aus meiner Zeit als ich noch historische Segelschiffe baute übrig und nun wurden diese Reste geplündert. Laubsäge, Leim, Lineal und einiges mehr wurden bereit gelegt und dann konnte ich beginnen.
Da ich weder Architekt noch Tischler bin, arbeite ich halt ein wenig umständlich. Wichtig ist nur das Endprodukt.
Natürlich dachte ich daran, den Fußboden wie Holzbohlen zu machen und die Wände mit Holz täfeln, aber dafür hatte ich nicht genug Holz. Und neues zu besorgen war mir echt zu umständlich.
Also entschloß ich mich mit einem Erdboden und die Wände mit Mörtel zu gestalten.

Die Seitenwände wurden ausgeschnitten und dann die Türöffnungen. Die Galerie wurde angeklebt und mit Holzbrettern gestaltet. Um zwischen den einzelnen Brettern eine Unterschied zu sehen, färbte ich die Seitenkanten mit schwarzer Acrylfarbe und erst dann wurde alles verklebt.

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Ich wußte nicht, daß mir die Treppe nach oben soviel Arbeit bereiten würde.

Zuerst wollte ich nur zwei Seitenpfosten mit Trittflächen bauen. Es gelang, aber alles war total windschief. Also wieder beginnen und wieder war alles total aus dem Winkel. Dann kam mir der Einfall die Seitenwände aus Sperrholz auszuschneiden und die Trittbretter drauf zu kleben.
Also wieder Laubsäge und sägen und am Boden war immer mehr und mehr Holzmehl zu sehen.
Endlich waren die Seitenteile fertig und ich war stolz auf meine Tischlerarbeit. Da war nur ein kleines Problem, weil die Stufenhöhe den Figuren bis zum Gürtel hinauf reichte.
Also wieder neu messen, zeichnen und sägen und das alles mit meiner alten Laubsäge, dich ich noch aus meiner Kindheit besitze, nur ist die auch schon in die Jahre gekommen und total verzogen, so das ich die Säge immer schräg halten muß, so wie man einen Schrägschnitt machen würde.
Aber dann war die Stiege endlich auch fertig.

Dann begann ich mit den Wänden.

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Dann begann ich mit den Wänden.
Um den Verputz so leicht wie möglich zu halten, verwendete ich UNIFLOTT vermischt mit Sägemehl.
Als ich die erste Mischung auftrug, merkte ich sofort, daß diese Vermengung nur langsam trocknet. Also verwendete ich beim nächsten auftragen nur mehr UNIFLOTT ziemlich dick abgerührt. Ich ließ es ein wenig anziehen, streute dann Sägemehl drauf, drückte und mischte es in den noch weichen Untergrund. Jetzt trocknete es wesentlich schneller.
Dieselbe Prozedur wurde am Fußboden angewendet.

Um ein wenig mehr Farbe in den Raum zu bekommen, mauerte ich mir die Theke und den Kamin mit Ziegelsteinen.

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Stützsäulen wurden dann unter dem Balkon angebracht.
Dann wurde der Handlauf auf den Stiegen und das Geländer auf der Galerie befestigt. Für die Steher verwendete ich dünne Rundhölzer und lasierte sie mit Wasserlasur „Mahagoni dunkel“. Die Steher wurden dann aufgebohrt und ein naturbelassenes Rundholz als Handstütze hinein geschoben.

Die Gemälde.

Nackte Wände finde ich zu kahl. Also ging ich wieder mal ins Internetz auf Suche nach geeigneten historischen Gemälden und wurde auch fündig. Es sind bekannte Windjammer zu sehen, bekannte Piraten zu sehen. Auch Piratinnen wie Mary Red und Anne Bonne sind zu sehen. (Das Bullauge rechts oben in der ersten Reihe habe ich in Concarnou (Bretagne) fotografiert. Es ist über dem Eingang eines Bistros angebracht.
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Als dann alles soweit fertig war, bohrte ich Löcher um die Figuren mit den Stiften hoffentlich dauerhaft zu befestigen. Es war nicht einfach die richtigen Personengruppen zusammen zu stellen, aber ich hoffe, daß es mir einigermaßen gelungen ist.

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Und dann waren die Piraten von Tortuga fertig. Danke dass Ihr meinen Baubericht so lange durchgehalten habt.

Beste Modellbaugrüße von
Herbert Josk




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